Zwei, drei Stunden auf dem See verbringen kann ja jeder. Aber einen kompletten Tag und eine ganze Nacht - das ist eine andere Nummer. Uli Terhardt von der Folkeboot-Flotte hat es möglich gemacht und Bobby, ebenfalls von der Folkeboot-Flotte, hat uns dazu einen wunderbaren Bericht verfasst und ein tolles Video zur Verfügung gestellt: Ein dickes Dankeschön an Bobby und viel Spaß beim Schauen: http://folkeboot-essen.de/24-stunden-regatta-von-bobby/
2009 hatte Willy Hachenberg, der damalige Kastellan des Yacht Club Ruhrland und ein enger Freund der Folkebootszene am Baldeneysee erstmals die Idee zu einer 24 Stunden Regatta. Sie wurde damals umgesetzt, hat den Beteiligten viel Spaß gemacht, ist dann aber irgendwie in Vergessenheit geraten. Aber nicht ganz! Immer mal wieder hieß es zwischendurch: "man müsste mal wieder...". Eine Umsetzung erfolgte aber aus unterschiedlichen Gründen, zuletzt wegen Corona lange Zeit nicht. Auf der diesjährigen Frühjahrsversammlung und bei den seit einem Jahr etablierten regelmäßigen Stammtischen der Folkeflotte Essen kam aber immer wieder das Gespräch auf die 24 Stunden Regatta und ob nicht genau dieses Jahr das richtige für eine Wiederbelebung wäre. Nicht zuletzt bohrte auch der Erfinder Willy von außen immer mal wieder. Gesagt, getan. Es bildete sich eine kleine Arbeitsgruppe um unseren Flottenobmann Uli, bestehend aus Rainer, Heiner und besagtem Willy und nahm die Sache in die Hand. Ein ausrichtender Verein war in der "Marinekameradschaft Essen-Kupferdreh" schnell gefunden. Man ist dort Gästen gegenüber immer aufgeschlossen, in einem großen Clubraum unter dem Dach war genug Platz für die Schlafsäcke und ISO Matten der wachfreien Crews, da der Club keinen eigenen Kastellan hat, konnte Willy, massiv unterstützt von Christa Terhart und Barbara Hasselmann das Catering übernehmen (und sponsern), das "Sailing Out" der Essener Flotte hatte hier schon erfolgreich stattgefunden und selbst der Folkeboot Chor hatte in diesen Räumen schon geübt. Nicht zuletzt stellten die Marinekameraden nicht nur Gelände und Clubräume zur Verfügung, sondern mit Peter Wallutis auch gleich den Wettfahrtleiter.
Am 27./28.8.2022 war es dann schließlich soweit: Punkt 14 Uhr wurden 5 Boote mit 10 Crews auf die Reise geschickt. Jede Mannschaft bestand aus zwei Crews die sich im (möglichst) fliegenden Wechsel nach einer Runde ablösten. Gesegelt wurde zur Tonne 6 vor dem Regattahaus, dann zur Tonne 2 Höhe Haus Scheppen und zurück zur Marinekameradschaft. Ziellinie war die frühere Startlinie vor der Marinekameradschaft die frühestens am nächsten Tag um 14 Uhr, spätestens aber bis 15 Uhr am nächsten Tag durchsegelt werden musste. Wer sie vor 14 Uhr durchsegelte, musste noch eine weitere Runde segeln, die aber bis 15 Uhr abgeschlossen sein musste, sonst zählten nur die bis 14 Uhr komplett abgeschlossenen Runden. Sieger war die Mannschaft, die die meisten Runden schaffte, bzw. bei gleicher vollendeter Rundenzahl als erste ab 14 Uhr ins Ziel kam. Angesagt waren leichte Winde aus nördlichen Richtungen (keine gute Richtung für den Baldeneysee)mit ca. 2 Beaufort, die in der Nacht in Böen bis max. 4 Beaufort auffrischen konnten, was sie aber leider nicht taten. Auch die 2 Beaufort wurde von allen intensivst gesucht, aber selten gefunden.
Während auf dem Wasser um jeden Meter Fortkommen gerungen wurde, war in den Pausen an Land für gute Stimmung bei Kaffee und Kuchen, Bier, Wein und Spießbraten am Abend, reichlich Currywurst um Mitternacht und einem ausgedehnten Frühstücksbuffet am Sonntagmorgen gesorgt. Abends und nachts waren die Tische draußen stimmungsvoll mit Kerzen beleuchtet und luden zu tiefsinnigen Gesprächen in einer verhältnismäßig lauen Sommernacht ein.
Wer wollte, konnte sich im Clubhaus auf seiner Isomatte ausruhen, was aber nicht immer ganz leicht war. Einer schnarcht immer und die Crewwechsel sorgten auch nicht gerade für eine durchgängige Nachtruhe.
Nachts auf dem Wasser war wegen bedecktem Himmel nicht sehr viel zu sehen. Besonders auf den ersten ca. 1,5 km zwischen Marinekameradschaft und SKS versuchte man verzweifelt bei herunterhängenden Segeln irgendwie eine Windrichtung zu erkennen. Mit Taschenlampen wurde der Verklicker zu Rate gezogen, der aber, wenn es einem überhaupt gelang in anzustrahlen, abwechselnd in alle Richtungen zeigte. Das Anstrahlen der Fäden in der Fock blieb ebenfalls ergebnislos, da der Luv-Faden immer unbewegt nach unten zeigte und der Lee-Faden ohnehin nicht zu sehen war. Irgendwie schaffte man es aber dann doch immer wieder diese totale Flautenzone zu überwinden und mit leichten achterlichen Winden in Richtung Tonne 6 zu segeln. Die nächste Aufgabe bestand darin, diese und die später folgende Tonne 2 auch tatsächlich zu finden. Begleitet wurden wir den ganzen Abend bis in die frühen Morgenstunden hinein von mindestens 3 unterschiedlichen Musikveranstaltungen die aus Lokalen auf den Höhen des Nordufers, den Südtiroler Stuben und vom Regattahaus, wo gerade ein Kanu Polo Turnier stattfand, weit über den ganzen See schallte. Die Rundenzeiten lagen je nach Wind zwischen knapp einer und 3½ Stunden . Bei "normalen" Regattabedingungen wären es 40 bis 45 Minuten.
Spannend war es trotzdem: Die erste Runde sah alle 5 teilnehmenden Boote eng zusammen, sodass beim ersten Crewwechsel teilweise die vorher aufgestellte Regel, dass nur ein Boot an den Steg darf und die anderen warten müssen, bis das Boot vor ihnen wieder abgelegt hat, teilweise beachtet werden musste. Wir waren nicht betroffen, da wir es glücklicherweise als führendes Boot bis zur Übergabe geschafft hatten. Unsere Mannschaft fiel aber im Verlaufe des Rennens immer weiter zurück, sodass wir ziemlich einsam durch die Nacht segelten, wobei wir auch noch zweimal wegen Fehleinschätzung des Abstandes zum Ufer vorübergehend "ein Grundstück pachteten". Für uns wurde es dann am frühen Morgen nochmal interessant: nachdem unser Team überrundet wurde, übernahmen Rainer, Goswin und ich unser Schiff mit 200 m Abstand zu den beiden immer noch eng zusammenliegenden Führenden. Das motivierte uns natürlich zu einer spannenden Aufholjagd, bei der es uns tatsächlich gelang mit knappem Vorsprung fast als erste zum nächsten Wechsel zu kommen, was allerdings verhindert wurde, da der Verfolger sich nicht an die "nur ein Boot am Steg" Regel hielt, uns verdrängte und zum warten zwang.
Nach Ablauf der 24 Stunden lagen schließlich Uli und Jörg um 3 Minuten vor 14 Uhr mit killenden Segeln ca. 100 m vor der Ziellinie während seine Verfolger Michael Langenberg, Micheal Röhrig und Hans-Eberhard Wülfing mit viel Druck von der Tonne 2 kommend immer näher kamen. Das Gebrüll seiner Teamkameraden Stephan und Martina und uns anderen, die wir auf dem Steg seinem Zieleinlauf entgegen fieberten, bewog ihn schließlich die Segel dicht zu nehmen und um 14 Uhr und 10 Sekunden die Ziellinie zu überqueren.
Seine ständigen Verfolger kamen nach 24 Stunden gesegelter Zeit nur 2 Minuten später ins Ziel. Karl Meurer mit seiner Crew aus ehemaligen Schülerinnen sah sich um 13:35 Uhr beim Wechsel gezwungen noch eine Runde weiter zu segeln um uns nicht Gelegenheit zu geben, ihn noch von seinem 3. Platz zu verdrängen. Schließlich schaffte er zwar die volle Runde nicht mehr, wurde aber letztlich doch verdienter Dritter. Wir wurden Vierte und die Mannschaft der Marinekameraden schaffte es auf den 5. Platz. Es war eine tolle Veranstaltung und ich bin fast sicher, dass es nicht die letzte ihrer Art war.
Besonderer Dank gilt der DLRG, die die Veranstaltung auch über Nacht durchgängig begleitete und immer wieder den See abfuhr um zu sehen, ob noch alle Boote ok waren und niemand Hilfe benötigte. Dank gilt natürlich auch der Marinekameradschaft, Christa und Barbara für die nahtlose Versorgung der Teilnehmer, Willy für die gesponserte Verpflegung und dem Organisationsteam um Uli, Rainer, Willy und (hier war noch jemand genannt, dessen Namen ich aber nicht verstanden habe)
Ergenbisse:
1. FG 733 "Smilla": Uli Terhart, Jörg Sassen / Stephan Dunker, Martina Dunker
2. FG 551 "Nunc": Rudolf Siepen, Leonhard Feske, H.-E. Wülfing / Michael Langenberg, Michael Röhrig, Christoph Falckenberg
3. FG 770 "Kev " : Karl Meurer, Chris Poth, Lili Depka, Helena Depka, / Georg Dietl, Martin Dietl
4. FG 1001 "Teufel auch": Rainer Hasselmann, Jochen Bobbert, Goswin Schlenhoff / Stefan Koch, Dominique Koch
5. FG 762 "Bijou": Detlef Hirnstein, Karin Bruns / Alfred Streubel, Susanne Meluzio